Direct-to-Customer Marken - nur was für die Nische? 🧐
Nachtrag zu Podcast Ads, Das Ende von brandless, Google und der sinkende CPC
Guten Morgen,
im letzten Newsletter ging es um Performance Marketing in Podcasts. Ich habe genauer Spotify’s Aktivitäten im Bereich Podcast betrachtet. Zwei Nachträge zu dem Thema:
Erstens: Auf Twitter hat sich eine spannende Diskussion um das Thema entwickelt, u.a. anderem mit Alex Graf (Kassenzone) und Philipp Westermeyer (OMR). Philipp hat einen relevanten Punkt zur vermarktbaren Reichweite von Podcast in Deutschland gebracht.
Mit dem Punkt hat er Recht und ich habe ihn in der Analyse nicht ausreichend beachtet. Eine Knappheit an Podcast behindert eine Skalierung von Podcast Ads. Allerdings: durch eine skalierbare Werbelösung (z.B. Streaming Insertion Ads) können auch kleinere Podcasts effektiv vermarktet werden können. Das Inventar steigt dadurch, ähnlich wie es Google damals mit AdSense gemacht hat. Allerdings wird das Wachstum nicht explosionsartig wie bei AdSense steigen, da der Aufwand zur Erstellung von Podcasts höher ist als der von Websites.
Zweitens: Spotify kauft weiter aggressiv im Bereich Podcast zu. Für angeblich 250 Mio. USD hat Spotify das Unternehmen “The Ringer” von Bill Simmons übernommen. The Ringer produziert über 30 Podcasts, u.a. den “The Bill Simmons Podcast”, einen der populärsten Podcasts in den USA. Ben Thompson hat hierzu eine gute Analyse veröffentlicht (hinter Paywall).
Im Quartalsbericht von Q4/2019 von Anfang Februar bestätigt Spotify noch einmal die Bedeutung von Podcasts für das Unternehmen:
We continue to see exponential growth in podcast hours streamed (up approximately 200% Y/Y) and are now seeing clear indications that podcast usage is driving increased overall engagement and retention. We have seen early indications that our investments in podcasts are having a positive impact on conversion of free to paid users.
Zu Inhalt:
Direct-to-Customer Marken - nur was für die Nische? Die Geschichte von Brandless.
Brandless, die Marke ohne Markenname, muss schließen. Der Verkauf von Produkten wurde gestoppt, 90% der Mitarbeiter verloren ihren Job.
Was wie das traurige Ende einer x-beliebigen Marke klingt, ist eine Geschichte, die sich Direct-to-Customer (kurz: DTC) Marken genau anschauen sollten. Gerade diejenigen Brands, die Risikokapital in signifikanter Höhe aufgenommen haben.
After more than two amazing years of bringing customers across the country better for you and better for the planet products, Brandless is halting operations. While the Brandless team set a new bar for the types of products consumers deserve and at prices they expect, the fiercely competitive direct-to-consumer market has proven unsustainable for our current business model.
Brandless - die Marke ohne “brand tax”
Brandless wurde 2017 gegründet. CEO Tina Sharkey und ihr Mitbegründer Ido Leffler wollten das DTC-Geschäftsmodell in die Konsumgüterindustrie zu bringen. Sie schufen eine Infrastruktur, um qualitativ hochwertige Bioprodukte zu produzieren - billiger als das, was man bei Whole Foods findet. Sie wollten dies erreichen, indem sie ihre gesamte Lieferkette von der Herstellung bis zum Verkauf des Produkts kontrollierten. Alles Überflüssige sollten raus: Branding, stylische Verpackung? Weg! Eine absolute Beschränkung auf das Minimum.
Ursprünglich hatte das Unternehmen ein sehr begrenztes Sortiment und verkaufte jedes Produkt für 3 Dollar. Brandless wollten die Anzahl von Entscheidungen reduzieren, die Menschen treffen, wenn sie durch den Supermarkt gehen oder online einkaufen. Später erweiterte das Unternehmen das Sortiment um teurere Produkte, verkaufte sie aber in der Regel für ein Vielfaches von 3 Dollar.
Wirklich interessant wurde die Geschichte im Juli 2018: der VC-Riese Softbank stieg ein und investierte 240 Mio. USD auf einer Bewertung über 500 Mio. USD. Eine ungewöhnlich hohe Bewertung für ein junges Startup ohne relevanten Umsatz in einem kompetitiven Markt.
Das Unternehmen hatte bis zuletzt einen hohen Cash Burn und kämpfte mit verschiedenen Problemen:
die Warenkörbe waren zu gering, zum profitabel zu arbeiten. Die Logistik-Kosten fraßen die Marge auf.
die Marketingkosten waren hoch, Pop-Up Stores wurden ebenso getestet wie die gesamte Online Marketing-Klaviatur
das Unternehmen kämpfte laut Insidern mit Qualitätsproblemen bei seinen Produkten. Verschiedene Blogposts deuteten in eine ähnliche Richtung.
Managementwechsel und der Verkauf über den klassischen Handel halfen nichts. Bevor das Geld komplett weg war, zogen Investoren die Reißleine. Brandless musste Anfang Februar schließen.
DTC - gefeierte Alternative in der Plattform-Ökonomie
DTC-Brands waren jahrelang ein Hype im VC-Bereich. Der Exit von DollarShaveClub für 1. Mrd. USD an Unilever beflügelte die Branche.
Inzwischen ist etwas Ernüchterung eingetreten, zumindest für mit Risikokapital aufgebaute Marken. Florian Heinemann, lange ein Fürsprecher von DTC-Brands, sprach im Podcast mit OMR über seine Lernkurve bezogen auf das Geschäftsmodell, u.a. die Kapitalineffizienz und die Abhängigkeit vom stationären Handel, um relevante Umsatzhöhen zu erreichen.
Ich bin weiter ein Fan von DTC-Marken bzw. Microbrands. Ich glaube, dass sie in den nächsten Jahren eine wachsende Rolle im E-Commerce spielen werden. Im Artikel “Drei Thesen für den E-Commerce 2020” habe ich die Gründe dargelegt.
Microbrands werden zunehmend mehr Aufgaben des operativen "Handwerks" im E-Commerce abgenommen. Vormals hohe Fixkosten zum Aufbau von Shop & Logistik können in variable Kosten umgewandelt werden, das Risiko zum Start eines E-Commerce Unternehmens sinkt. […] Um was muss sich ein Händler dann noch kümmern? Im Wesentlichen um (a) die Produktentwicklung und (b) den Aufbau eines loyalen Publikums.
Steht das im Widerspruch zu den Learnings von Florian Heinemann? Nein! Florian und ich denken nur in unterschiedlichen Größenordnungen.
Ich denke eine Vielzahl von neuen Marken wird über Social Media auf einen Umsatz von 1-5 Mio. € zu kommen. Und damit werden viele Marken zufrieden sein. Über die Vielzahl der Unternehmen ist der Markt trotzdem relevant groß.
Wenn Florian Heinemann über DTC-Marken spricht, geht es um VC-finanzierte Unternehmen. Dort sind Unternehmen mit einer Flughöhe von 5 Mio. uninteressant.
Learnings aus dem Ende von Brandless
DTC-Modelle sind in meinem Augen schwer zu skalieren und viel (VC-)Geld muss kein Vorteil sein.
Mit dem Investment von Softbank hatte Brandless einen hohen Druck schnell in relevante Umsatzgrößen zu kommen. Sie hatten nicht die Zeit, auf kleinem Niveau Absatzkanäle im Onlinehandel zu testen und profitabel auszuspielen. Viel Geld in Social Media zum Aufbau von Awareness zu stecken ohne einen langfristig positiven ROI, ist nicht nachhaltig. Größe hilft den Marken zu einem gewissen Grad (z.B. bessere Verhandlungsposition mit dem stationären Handel), verändert die Kostenstruktur aber nicht fundamental. Größe ist bei DTC-Brands kein Burggraben.
Mein ehemaliger Chef fasste zusammen: “Retail is detail.”
Ich glaube, dass Mikrobrands in der Nische besser funktionieren. Mit einer geringen Kostenbasis und einem langsamen, organischen Wachstum. Über gutes Storytelling und Social Media. Und ja, das kostet Geld, aber nicht 250 Mio. USD Geld.
Leseempfehlung: Google und der sinkende CPC
Philipp Klöckner hat bei OMR einen interessanten Gastbeitrag über den letzten Quartalsbericht von Google geschrieben. Im Wesentlich ging es darum, was nicht im Bericht zu finden war. Nämlich die Kennzahl CPC (Cost-per-Klick), also die Cost-per-Click, die Werber an Google für einen Klick auf ihre Werbung zahlen.
Philipp Klöckner sieht einige Herausforderungen für Google:
Ich habe mich in meinem Blog bereits 2013 und 2015 mit der Entwicklung von Googles durchschnittlichem CPC befasst und schon dort die These vertreten, dass es genau umgekehrt ist: Googles über Jahre fortgesetzte aggressive Ausbreitung der Werbeflächen erzeugt eine Klickinflation, die wiederum vollkommen automatisch zu einem Verfall des CPCs führen muss. […]
Warum hat Google nun das Reporting dieser Kernmetriken eingestellt? Ein Blick auf die letzten vier Quartale zeigt, dass es Google zuletzt nicht mehr gelungen ist, die Klicks signifikant zu steigern, und die relative Wachstumsrate jedes Quartal um mindestens zehn Prozent gefallen ist. Nachdem Google vom Höhepunkt bei 66 Prozent Klickinflation bis auf 18 Prozent im vorletzten Quartal abgestürzt ist, könnte das traditionell starke 4. Quartal erstmals nur noch unter zehn Prozent Klickwachstum geliefert haben und damit ein Ende der Erfolgsstory andeuten.
Philipp kommt zum Schluss, dass die Werbeerlöse in der Google-Suche an einem Peak angekommen sind, Google mit seinem Kernprodukt Suche aus der Wachstumsphase in die Reifephase übergeht. Hochprofitabel bleibt das Geschäft trotzdem.
Zusammengenommen werden damit andere Google-Dienste mehr in den Fokus rücken, v.a. YouTube und die Cloud. Im letzten Quartalsbericht wurden erstmals die Umsätze dieser beiden Bereiche explizit ausgewiesen. Passend dazu, fängt Google an auch Maps mehr zu monetarisieren.
Das Google Board hat zudem beschlossen, die Vergütung von CEO Sundar Pichai stärker als in der Vergangenheit an den Shareholder-Value zu koppeln. Kurz gesagt: den Aktienkurs. Motley Fool schreibt dazu:
In December, the company's board of directors approved a new compensation arrangement with Pichai where most of his compensation is tied to the total shareholder return of Alphabet over the next two and three years. Alphabet's management team has always taken a very long-term view, and it still is for the most part. But the company's CEO has never been so financially incentivized to increase free cash flow and have the stock price outperform in the near term. Investors would be wise to take notice.
Zusammengefasst: Unternehmen sollten davon ausgehen, dass ehemals freie Services zunehmend mehr monetarisiert werden. Google wird zunehmend mehr zu einem “normalen” Unternehmen, wenn auch immer noch ein cooles, normales Unternehmen.
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Danke für den Support und einen tollen Tag!
Was ist an Google cool? Dass sie in YouTube bewusst Videos empfehlen, die erwiesenermassen einen radikalisierenden Einfluss auf die Nutzer haben? Oder dass sie in der Schweiz ihre Angestellten davon abhalten wollen eine Gewerkschaft zu gründen?