Pinterest - das "New Kid" im E-Commerce
Hallo zusammen,
ich habe die letzte Ausgabe von “Popcorn am Freitag” ausfallen lassen. Sorry dafür! Es hätte genug E-Commerce News gegeben, ich habe nur nicht die Zeit gefunden mich hinzusetzen und den Newsletter fertig zu machen. Turbulente Zeiten.
Dafür heute eine druckfrische Analyse, die bei mir schon lange auf dem Programm steht: Pinterest. Hat Pinterest Chancen das Werbe-Oligopol um Google, Facebook und Amazon aufzubrechen?
Zum Inhalt:
Pinterest nimmt Fahrt auf. Kurs: E-Commerce.
Pinterest is one of the worst things to happen to my search experience in the last decade.
Wenn ich damalige Kommentare zum Börsengang im April 2019 von Pinterest lese, gewinnt man den Eindruck, Pinterest sei eine einzige SPAM-Maschine für die Google-Bildersuche. Ohne Mehrwert für den Nutzer. Ohne Daseinsberechtigung.
Der Börsenstart gab den Kritikern recht. Das Papier entwickelte sich über ein Jahr nicht von der Stelle, während andere Tech-Aktien einen Höchstand nach dem anderen erreichten. Tech wurde geliebt, Pinterest nicht.
Bis vor vier Monaten!
Heute bewertet die Börse Pinterest wie ein ernsthafter Herausforderer des Werbe-Oligopol. Und das nicht zu unrecht. Ich werde darlegen, warum ich glaube, dass Pinterest die dringend benötigte Alternative zu Big Tech ist - gerade für E-Commerce Unternehmen.
Pinterest - das Pinboard für visuelle Inhalte
Pinterest ist eine Plattform, auf der Benutzer visuelle Inhalte merken oder mehrere Beiträge zu einem ähnlichen Thema in "Boards" gruppieren können. Jedes Bild ist mit seiner Quelle - egal ob Artikel, Seite, Blog oder Shop - und weiteren Informationen verlinkt.
Pinterest schreibt über sich selber.
Pinterest is the visual discovery engine. It is where you find and do what you love. With Pinterest, you can discover useful and relevant things that inspire you to do stuff. […]
It began as a tool to help people collect the things they were passionate about online. But it soon became apparent that the real joy was getting inspired by what other people shared and applying that inspiration to their own lives.
Um ein Missverständnis aufzuräumen: Pinterest ist für mich kein soziales Netzwerk oder Social Media. Im Vordergrund stehen Bilder, Themen & Interessen, nicht Menschen und deren Verbindungen untereinander. Es geht darum Interessensgebiete visuell zu erkunden - oft ohne konkretes Ziel - und nicht darum sich zu inszenieren.
Die Nutzerschaft von Pinterest ist primär weiblich. Laut Statista sind 77% der Nutzer Frauen. Im letzten Quartal schaffte es Pinterest v.a. das Interesse von jüngeren Nutzer*innen zu gewinnen und die Zielgruppe damit zu erweitern.
Über die Zeit hat Pinterest - neben dem Entdecken und Verwalten von Bildern - neue Funktionalitäten eingeführt:
Werbemöglichkeiten: Pinterest hat Werbelösungen eingeführt. Produkte von Shoppable Pins, Bildersuchen oder das Hochladen von Produktkatalogen führen dazu, dass Werbung und Inhalte auf Pinterest mehr verschwimmen. Das besondere: Nutzer akzeptieren die Werbeprodukte, sehen sie teilweise als Mehrwert, wie der lesenswerte Artikel “How Pinterest became the only place on the internet where people want ads” beschreibt.
Video: Wie u.a. bei Instagram gesehen, führen Videoformate zu höherem Engagement und erweitern das Angebot. Pinterest führte 2019 Videos für Content-Ersteller ein.
Persönlich habe ich Pinterest genutzt, um gemeinsam mit Katharina unsere Hochzeit zu planen. Wir konnten Ideen rund um Deko und Hochzeitsgeschenke sammeln und die Boards waren eine super Austauschplattform mit der Hochzeitsplanerin. Mit Bildern sind Ideen oft einfacher zu kommunizieren.
Bei shopping24 nutzen wir Pinterest stark im Zusammenhang mit dem Magazin Wohnklamotte und haben den Account zu einem der größten Living-Profile in Deutschland ausgebaut. Für mehr Infos dazu sei der Wohnklamotte-Podcast mit meinen Kolleg*innen Max Pohlmann und Tanja Johanson mit der Retail-Verantwortlichen von Pinterest Sabine Jünger empfohlen.
Starkes Nutzerwachstum und Umsatzrekorde
Pinterest schaut auf ein sehr erfolgreiches Q3/2020 zurück. Die (Werbe-) Umsätze wuchsen, getrieben durch eine bessere Monetarisierung der Nutzer, um 58% auf 443 Mio. USD. Das Unternehmen hat einen positiven Cashflow, schreibt aber noch Verluste (auch wenn diese verglichen mit den letzten beiden Quartalen geringer ausfielen.)
Besonders hervorzuheben sind die Nutzungskennzahlen. Während der Corona-Krise hat sich das Nutzerwachstum beschleunigt, stieg um 34% auf 442 Mio. USD.
Ungewöhnlich dabei für ein US-Unternehmen: die überwiegende Anzahl sind internationale Nutzer. Genau diese treiben auch das Wachstum, in den USA zeigt Pinterest moderate Wachstumsraten (+2%).
Als Sahnehäubchen hob das Management noch seine Umsatzprognose für Q4 an, historisch das umsatzstärkste Quartal von Pinterest.
Pinterest - die attraktive Alternative zur Werbung auf Google, Facebook & Amazon
Menschen verbringen online 50% ihrer Zeit auf Plattformen, die nicht von Tech-Giganten kontrolliert werden. Trotzdem vereinen Google, Facebook & Amazon fast 70% der AdSpends auf sich.
Der Wettbewerb auf den großen Plattformen wird intensiver, Werbepreise werden perspektivisch weiter steigen. Zugleich wird zunehmend kritischer auf Abhängigkeiten von Big Tech - v.a. im Werbebereich - geschaut.
Da kommt eine “kleine” Plattform wie Pinterest mit dem sehr positiven Image gerade recht. Schon vom Werbeboycott auf Facebook konnte Pinterest profitieren.
Ich glaube, (a) Pinterest wird in den nächsten fünf Jahren noch deutlich wachsen und (b) einen größeren Anteil der Werbebudgets von Onlineshops & Marken auf sich vereinen!
Vier Gründe sprechen dafür:
Pinterest verbessert das Produkt rapide
Das Produkt “Pinterest” wird für Nutzer immer besser. Das hat gleich mehrere Gründe:
Neue Features - wie Video-Pins, ein Story-Format, die visuelle Bildersuche Lens - steigen das Engagement von Nutzern und führt zu höheren Wiederkehrraten. 85% der Nutzer nutzen die Smartphone-App von Pinterest, was über Push-Notifications noch einmal die Interaktion mit Pinterest forcieren kann.
Die Reichweite der Plattform wächst, sie wird damit auch für Content-Creator interessanter. Die Qualität der erstellten Inhalte auf der Plattform steigt, was wiederum mehr Nutzer anzieht.
Mit einer höheren Nutzung, lernt Pinterest auch mehr über seine Nutzer. Über maschinelles Lernen kann das Entdecken und Finden von interessanten -für den Nutzer passende- Inhalte verbessert werden.
Diese Entwicklung hat das Management auch im Conference Call bestätigt:
What we know right now is that the people that used -- that joined Pinterest during this COVID period, they do tend to engage at higher level across a basket of metrics than folks that joined at the same time last year.
Facebook versuchte Pinterest zu klonen. Fünf Monate nach Launch wurde das Produkt Hobbi wieder eingestellt. Das sollte Pinterest als Kompliment nehmen.
Die Zielgruppe ist attraktiv
Die Zielgruppe von Pinterest ist attraktiv. Sie ist weiblich, etwas älter, kaufkräftig - und damit für Shops hochrelevant.
Vor allem sucht diese Zielgruppe aber nach Inspirationen zu persönlichen Interessen, Hobbies und Passionen. Es geht nicht darum gezielt Inhalte zu suchen, sondern zu stöbern. Hypothese: außergewöhnliche, gleichzeitig hochpreisige Produkte lassen sich über Pinterest besonders gut verkaufen.
Die E-Commerce Plattform Nosta hatte 2019 eine Studie zu Conversion Rates und Warenkörben bei verschiedenen “sozialen Netzwerken” gemacht. Nach Untersuchung von 1,2 Mrd. Visits kam raus: über Pinterest vermittelte Käufe haben einen deutlich höheren durchschnittlichen Warenkorbwert, verglichen mit Facebook, Instagram & Snapchat.
Pinterest ist untermonetarisiert
Werbung auf Pinterest wird noch deutlich besser monetarisiert werden. Die Umsätze je Nutzer werden steigen und die Nutzeranzahl steigt - zwei Hebel für starkes Umsatzwachstum.
Vor allem bei den internationalen Werbeumsätzen ist noch Luft nach oben. Der Abstand zwischen US und internationalem ARPU (durchschnittlicher Umsatz je Nutzer) beträgt fast das 20x.
Für eine Steigerung der Werbeumsätze müssen die Werbeprodukte verbessert werden. Daran hat Pinterest gerade im letzten Jahr gearbeitet.
Over the past year, we've invested in conversion optimization or OCPM ads, shopping, ads, and auto bidding to help diversify our advertiser base, and we also expanded our sales team in Western Europe to monetize their engagement there. (...) Given the enormous opportunity ahead of us, we’ll continue to invest opportunistically to best serve pinners, merchants and advertisers. The returns from these investments may not always be linear, but we do believe we have a strong roadmap ahead in 2021 and beyond. (…) We launched auto bid for conversion optimization in July. And we're now at 50 plus percent of revenue through auto bid on that format.
Pinterest, das auf dem Austausch von Interessen, Hobbys und Ideen basiert, ist die perfekte Plattform für getargete Werbung. Bisherige Werbe-Vorstöße zeigen, dass Nutzer Werbung auf der Plattform akzeptieren, sogar teilen. Welche andere Plattform kann bitte von sich behaupten, dass sie durch Werbung besser wird.
Wachstumshebel im E-Commerce
E-Commerce wird ein großes Wachstumsfeld für Pinterest werden. Erste Versuche gibt es schon länger, aber gerade in 2020 gibt Pinterest im Shopping-Umfeld noch einmal Gas.
Im Earnings Call sagt dazu Todd Morgenfeld (Head of Business Operations):
I think from a financial impact perspective, what we're trying to do right now in shopping is improve the inventory of shoppable products on Pinterest and then improve the discoverability of those products over time. So the investments we've been making, we talked over the last couple of calls about things like our success in ingesting more catalogs to get shoppable content onto the service.
Ein kleiner Auszug der Initiativen:
Pinterest und Shopify kooperieren seit Mai 2020. Shopify-Händler können ihren Produkt-Katalog hochladen, Produkte vertaggen und über shoppable Pins kaufbar machen. Diese Kooperation wird das Wachstum an Shopping-Inventar bei Pinterest beschleunigen.
Im Oktober 2020 wurde das Shopping-Tab überarbeitet und gleicht nun mehr einem Schaufenster.
Bei der Suchanfragen mit Kaufintention werden passende Händler vorgeschagen.
Direkte Kaufmöglichkeiten auf der Plattform gibt es noch nicht, der Nutzer wird immer zum Online-Shop weitergeleitet. Den Entwicklungen von Facebook & Instagram folgend, gehe ich davon aus, dass irgendwann auch eine direkte Kaufmöglichkeit auf der Plattform integriert wird - und damit weitere Möglichkeiten der Monetarisierung entstehen.
Fazit: Pinterest steht die beste Zeit noch bevor
Pinterest ist ein cooles Produkt. Ich bin von der sehr zielgerichteten Entwicklung Richtung E-Commerce der letzten Jahre begeistert. Pinterest kann DIE Plattform werden, um Produkte für sich zu entdecken, von denen Nutzer noch nicht wussten, dass es sie gibt. Und dann zu kaufen.
Im E-Commerce ist es dringend notwendig, dass alternative Werbeumfelder zu den großen Tech-Giganten Google, Facebook & Amazon geschaffen werden. Pinterest sehe ich als Herausforderer #1 für diesen Job, denn sie stehen noch sehr am Anfang.
Shopping oriented revenue is growing quicker than the overall business, but it's just a small contributor to the overall mix. I would expect that to be a driver over a longer period of time. (Todd Morgenfeld)
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Danke für den Support, einen tollen Tag - und natürlich: bleibt gesund!