#7: Online-Tektonik - Instagram Checkout
Guten Morgen,
der letzte Artikel zur Online-Tektonik im E-Commerce hat mir sehr viel Spaß gemacht. Danke für das positive Feedback zum letzten Newsletter.
Zum Inhalt:
Online-Tektonik: Direkt kaufen auf Instagram
Vorletzte Woche gab es Teil 1 der Serie Online-Tektonik (Amazon und das Werbegeschäft). Drei große US-Unternehmen dominieren jeweils einen relevanten Bereich des (westlichen) Internets.
In den letzten Jahren versuchen die Akteure zunehmend ihr Spielfeld zu erweitern. Heute geht es um Facebook, das mit Instagram Checkout aktuell versucht den “Transaction” zu besetzen. Direkt auf Instagram wird ein Checkout angeboten, es ist also kein Besuch eines externen Shops mehr notwendig. Direkt vom Kaufinteresse zur Transaktion, ohne den Zwischenschritt “Search”.
Das ist der alte Traum vom Social Commerce, also der Verbindung von Commerce und sozialen Medien. Auch das shopping24 commerce network ist 2007 mit Smatch als “neuartige Social Shopping Plattform für Mode, Lifestyle und Wohnen” gestartet. Nur diese Symbiose ist bisher nie aufgegangen, für keinen Marktteilnehmer.
Das möchte Facebook nun ändern. Diesmal echt. Ich glaube sie haben eine gute Chance damit den E-Commerce durcheinander zu wirbeln. Im Q4 Earnings Call von Facebook setzte Mark Zuckerberg den Themenbereich “Instagram & Commerce” als Schwerpunkt für das Jahr 2019.
Instagram Checkout ist die letzte Weiterentwicklung, um Produkte besser in das Nutzungserlebnis von Instagram einzuweben. Ein kurzer zeitlicher Ablauf dieser Entwicklung:
Seit 2017 bringt Instagram kontinuierlich neue Features auf den Markt, damit Marken ihre Produkte dem Kunden präsentieren können - z.B. können Marken ihre Produkte in organischen Posts vertaggen. Ein Klick auf den Tag führt zur externen Website. (Instagram Shopping)
In 2018 erweitert Instagram seine Einkaufs-Lösung. Produkt-Sticker können Instagram Stories zugefügt werden, es gibt einen Einkaufskanal im Explore-Tab und ein dedizierten Shopping-Tab für Geschäftsprofile wird eingeführt.
2019 kündigte Facebook den Instagram Checkout von Instagram an - eine weitere Shopping-Funktion, die es Instagrammern ermöglicht, direkt in der App einzukaufen.
Wie funktioniert Instagram Checkout?
Durch Instagram Checkout können Nutzern direkt auch Instagram einkaufen (s. Bild oben), ohne für die Transaktion zu einem externen Onlineshop weitergeleitet zu werden. Nutzer klicken auf ein Produkt und beenden den Checkout direkt in Instagram. Die eingegebenen Daten werden (natürlich) für spätere Käufe gespeichert. Nach dem Kauf, kann der Nutzer den Order-Status direkt in Instagram checken.
Je Order wird eine Fee fällig, die Payment-Gebühren und Instagrams Maut für den direkten Zugang zum Kunden beinhaltet. Zur genauen Höhe möchte sich Facebook bisher nicht äußern.
Instagram testet derzeit das In-App-Shopping in einer geschlossenen Beta-Phase mit bekannten Marken wie Adidas, Nike, Prada, Dior, Burberry, Zara, Kylie Cosmetics und Huda Beauty. Rund 20 Marken machen beim Testlauf der Facebook-Tochter in den USA mit. Technologie-Partner wie BigCommerce & Shopify sollen in Zukunft weiteren Shops und Marken die Anbindung erleichtern. Die Zahlungen werden gemeinsam mit Paypal abgewickelt.
Wer profitiert, wer verliert.?
Instagram ist eine Maschine - mehr als eine 1 Mrd. monatliche Nutzer und über 130 Mio. Personen, die schon jetzt monatliche auf die Shopping Tags von Instagram klicken. Kein anderes Netzwerk wächst schneller, bezogen auf Referral-Traffic zu externen Webseiten. Dass Instagram Checkout nicht genutzt wird, halte ich für sehr unwahrscheinlich. Ein Interesse an Produkte in Instagram ist durch die Nutzung der bisherigen Features schon belegt.
Wer freut sich über Instagram Checkout?
Facebook: Über Checkout erschließt Instagram eine zusätzliche Erlösquelle durch Provisionen. Laut einer Schätzung der Deutschen Bank könnte alleine diese Funktion Facebook bis 2021 über zehn Milliarden Dollar zusätzliche Umsätze einbringen. Durch den Checkout erhält Facebook weitere Daten über die Nutzer und kann Produktempfehlungen noch besser targeten.
Außerdem glaube ich, dass Instagram Checkout weitere Werbegelder auf Instagram ziehen wird. Durch eine direkte Kaufmöglichkeit stehen weniger Schritte zwischen Kauf-Intent und Transaktion, was den ROI von Werbung auf Instagram erhöhen sollte. Höherer ROI zieht mehr Werbegelder nach sich.
Facebook gewinnt also dreifach: Erlöse durch Provisionen, Erlöse durch mehr Werbegelder und mehr Daten von Nutzer, was Facebook in seinem restlichen Universum indirekt monetarisieren kann.
Weiter nach vorne geschaut: wenn E-Commerce auf Instagram ein Erfolg wird, wird Facebook seine Payment-Aktivitäten vermutlich weiter pushen und sich dort einen weiteren Erlösstrom aufbauen. Ob das nun Libra oder was auch immer ist.
Influencer/Micro-Brands: Wenn sich Instagram für Commerce öffnet, werden eingefleischte Händler sicher ihr Glück versuchen. Yihaa, eine neue Traffic-Quelle mit einem günstigen CPO.
Sie werden scheitern! Instagram ist um Inhalte, Bilder und Geschichten aufgebaut. Nur Marken & Händler, die authentisch gute Geschichten erzählen können, werden auf Instagram erfolgreich verkaufen. Eine Zielgruppe, die dies beherrscht, sind Influencer. Sie haben loyale Zuhörer und machen nichts anderes außer Storytelling. Ich kann mir vorstellen, dass Marken sich an Influencer wenden, um direkt über Instagram verkaufen. Der Wert von Influencern wird steigen.
Gleichzeitig steigen damit die Anforderungen an Influencer. Engagement, Reichweite, Follower-Zuwachs des eigenen Accounts sind aktuell typische KPI von Influencer-Kampagnen. Zukünftig werden noch Sales dazukommen. Authentizität behalten und gleichzeitig Sales nach oben schrauben – für Influencer wird das ein echter Balanceakt. Oder diese Kategorie wird outgesourct, und Influencer-Commerce-Agenturen - cooles Buzzword - entstehen.
Brands: Einige Brands sind extrem stark im Storytelling und beherrschen Instagram und soziale Medien meisterlich. Nike ist ein solches Beispiel. Diese Brands profitieren von Instagram Checkout. Sie rücken näher an die Transaktion ran. Ihnen ist jetzt schon weitgehend egal, über welchen Kanal sie verkaufen, solange sie die direkte Kundenbeziehung halten. Durch das Vertaggen von Produkten können Shops als Intermediäre eher mehr in den Hintergrund treten.
Wer freut sich nicht auf Instagram Checkout?
Shops: Non-Brand Shops sehe ich auf der Verliererseite, sie werden zu Erfüllungsgehilfen degradiert. Shops dürfen sich noch um die Auslieferung der Produkte kümmern, die direkte Kundenbeziehung verlieren sie. Instagram stellt nur die absolut notwendigen Daten für einen Versand zur Verfügung, dazu gehört aktuell noch nicht einmal eine Email-Adresse.
Ein weiterer Nebeneffekt: Instagram ist ein guter Trigger für Spontan-Käufe. Wenn mein Lieblings-Influencer (habe keinen) einen neuen Sneaker in die Kamera hält, möchte ich ihn haben. Jetzt! Sofort! Zuhause stelle ich fest, dass er doch nicht so gut aussieht. Kurzum: Spontankäufe steigern die Retouren, der Shop ist der Leidtragende.Google & Amazon: Facebook steht am Anfang des Funnels, hat den Bereich “Attention” perfektioniert. In der Vergangenheit war Facebook ein guter Zubringer für Google & Amazon. Marken & Produkte die auf Instagram gepusht werden, wurden über Google gesucht und über Amazon gekauft. (sehr platt gesprochen). Die letzten beiden Schritte fallen weg. Amazon und Google fällt es somit schwieriger die sehr junge Zielgruppe in Zukunft zu erreichen.
Fazit - Bullish auf Social Commerce
Ich bin sehr gespannt auf die ersten Erfahrungsberichte der teilnehmenden Marken am geschlossenen Beta-Test. Meine Prognose: Instagram Checkout wird ein Erfolg! Das erste Mal fühlt sich die Verbindung von Content und Commerce nativ an. Wenn der Checkout operativ gut umgesetzt wird, fallen mir wenige Gründe gegen einen Erfolg von Instagram Checkout ein.
Ich glaube, das Feature wird für das Unternehmen Facebook eine Goldgrube werden und das Unternehmen ebenso (positiv) durchschütteln, wie es damals der Newsfeed gemacht hat.
Für Händler & Marken heißt es: Commerce wird noch komplexer. Mit Instagram Checkout müssen sie einen weiteren Kanal professionell managen, sei es direkt oder mit Hilfe von Influencern.
Hörempfehlung: Eine Reise durch den E-Commerce mit OMR
Sehr unterhaltsamer OMR-Podcast von Philipp und Alex, ein kurzweiliger Ritt durch den E-Commerce.
Spannend fand ich v.a. die Diskussion, um Amazon vs. Nischen-Player. Alex Aussage ist, dass Amazon auf der Händlerseite in den letzten Jahren versagt hat. Amazon fällt es zunehmend schwerer das Sortiment auf dem Marktplatz zu kuratieren und eine gute Nutzungserfahrung zu bieten, gleichzeitig zieht das Unternehmen die Daumenschrauben bei Werbegeldern & Margen an. Alex sieht wenig Gefahr für spezialisierte Händler wie AboutYou (Mode) oder Thomann (Musik).
Ganz anderer Meinung ist OMR Stammgast Sven Schmidt im aktuellen Podcast, der Amazon weiter auf einem absoluten Erfolgsweg sieht. Sven hat sich so in Rage geredet (auch zu anderen Themen), das mir um seinen Blutdruck Angst und Bange wurde.
Zusammengenommen ein toller Ritt durch die Internet-Ökonomie. Hörempfehlung für beide.
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Danke für den Support und einen tollen Tag!