Facebook & Google - resilient durch die Corona-Krise
Plus: "Shop App" von Shopify - ein Aggregatoren-Move einer Plattform?
Guten Morgen,
vielen Dank an alle, die den Newsletter letzte Woche so fleißig geteilt haben. Sharing is caring ❤️.
Zum Inhalt:
Resiliente Geschäftsmodelle - Facebook und Google vs. COVID-19
Google und Facebook prägen den E-Commerce von heute.
Beide Unternehmen halten die Schlagzahl mit neuen Initiativen (Google Shopping teilweise kostenlos) oder Übernahmen (Jio) hoch.
Und beide Unternehmen haben in den letzten Wochen ihre Zahlen präsentiert. Ende März schrieb ich zum Einfluss von Corona auf die werbefinanzierten Geschäftsmodelle von Facebook und Google.
Eine Reduktion von Marketing-Budgets wird auch Facebook und Google treffen. Da primär Brand-Budgets gestrichen werden, gehe ich von einem größeren Impact bei Facebook aus. […]
Facebook und Google verfügen mit über die besten Bilanzen der Welt. Sie würden eine stagnierende Umsatzentwicklung leicht überleben. Irgendwann steigen die Werbeausgaben wieder an. Ausblick: negativ
Mit der Prognose lag ich daneben, habe einen Denkfehler bei der Resilienz des Werbemodells von Facebook gemacht. Dazu später mehr.
Facebook - Explodierende Nutzung
Zum Start erst einmal die Fakten: Der Umsatz im ersten Quartal stieg bei Facebook im Jahresvergleich dank der ersten Monate um 18 Prozent auf 17,7 Milliarden Dollar, der Gewinn hat sich fast verdoppelt.
Die Nutzungszahlen sind explodiert. Täglich kamen 1,73 Milliarden Nutzer auf Facebook. Gerade WhatsApp und der Facebook Messenger wurden durch Corona verstärkt genutzt, v.a. für Sprach- und Videoanrufe. Apps von Facebook sind in dieser Krise eine kritische Infrastruktur, um mit seinen Lieben in Kontakt zu bleiben.
Die gestiegene Nutzung spiegelt sich nicht in einem direkten Umsatzsprung wieder, da die Messenger Services schlechter monetarisiert werden als Facebook und Instagram.
Wie jedes Unternehmen spürt auch Facebook Auswirkungen von Corona. Dazu aus dem Earnings Call:
After a strong start to the quarter, we saw a significant impact on our business as a consequence of the pandemic from the second week of March onwards. This impact has not been felt evenly. We’ve seen strong growth in gaming and relative stability in technology and e-commerce, which is one of our largest sectors. […]
On the other hand, we’ve seen significant declines in travel and auto as these industries have been hit particularly hard. These trends are continuing in the first two weeks of Q2, and Dave will share more on this shortly. Companies of all types are adapting to a world where people aren’t walking into their stores or seeing their brand on billboards.
Viele Marketing-Budgets wurden als Vorsichtsmaßnahme zurückgezogen - unabhängig von der Kategorien. Ende März und im April sah das Bild differenzierter aus. Kategorien wie E-Commerce oder Gaming investierten bei Facebook.
Sie profitierten dabei von einem geringeren Wettbewerb, mehr verfügbarem Inventar durch eine gestiegene Nutzung und damit günstigeren Preisen. Tarek Müller, CEO von AboutYou, sagte im letzten Podcast mit OMR: “Im April konnten wir teilweise Traffic zu Preisen wie vor 10 Jahren einkaufen.”
Google - mehr Transparenz
Die Quartalszahlen von Alphabet wurden mit großer Neugier erwartet. Nicht nur wegen COVID-19, sondern auch als erste Quartalszahlen unter dem neuen CEO Sundar Pichai. Er versprach bei Amtsantritt mehr Transparenz in den Geschäften von Google. Erstmalig sollten die YouTube-Umsätze explizit ausgewiesen werden.
Voilá: Alphabet hat ungeachtet der Coronakrise im ersten Quartal Umsatz und Gewinn deutlich gesteigert. Der Umsatz legte im Jahresvergleich 13 Prozent zu und liegt bei 41,2 Milliarden Dollar.
Spannender als das Gesamtergebnis ist aber die Entwicklung der einzelnen Bereiche.
Die Suchumsätze liefern immer noch über 50% des Umsatzes, wachsen aber “nur” noch um 9%. Pip Klöckner geht davon aus, dass die Werbeumsätze in den ersten beiden Monaten des Quartals normal wuchsen, im März aber sanken.
YouTube wächst nach wie vor stark - 33% zum Vorjahr. Direct Response Werbung funktioniert auch in der Krise auf YouTube gut, Brand Budgets wurden ab Mitte März merklich reduziert und wuchsen nur noch im einstelligen Prozent-Bereich.
Die Umsätze aus dem Cloud-Business und den App-Stores wachsen um über 50%. Nennenswerte Marktanteile kann Google im Cloud-Geschäft allerdings nicht gewinnen, da auch Microsoft und Amazon stark wachsen. Die angestrebte #1 im Cloud Geschäft in 2023 ist noch in weiter Ferne.
Der Einfluss von COVID-19 auf das Quartal liest sich bei Alphabet so:
For our advertising business, the first two months of the quarter were strong. In March, we experienced a significant and sudden slowdown in ad revenues. The timing of the slowdown correlated to the locations and sectors impacted by the virus and related shutdown orders
Social schlägt Search in der Coronakrise
Facebook und Google dominieren digitale Werbung, aber die Unternehmen nähern sich dem Geschäft aus unterschiedlichen Richtungen. Facebook nutzt sein soziales Netzwerk um Unternehmen und Nutzer zu verbinden. In Nachrichten-Feeds und "Stories" werden passende Werbeinhalte ausgespielt.
Google hingegen verkauft als größte Suchmaschine Anzeigen neben Suchanfragen. Hier übernimmt die Suchmaschine das Targeting selbst: Unternehmen werben auf der Grundlage dessen, was ein potenzieller Kunde sucht.
Es gibt allerdings einen fundamentalen Unterschied in der Logik der Werbesysteme. Der führt dazu, dass Facebook besser durch die Krise kommt als Google.
Woran mache ich das fest?
Das Wachstum der Werbeeinnahmen beider Unternehmen ging im ersten Quartal stark zurück, aber Facebook verlor weniger an Wachstum als Google.
Beim Social-Media-Giganten verlangsamte sich das Wachstum der Werbeeinnahmen von 25% im vierten Quartal 2019 auf 17% in Q1. Das Umsatz-Wachstum bei Google verlangsamte sich von 17 % auf 9 %; die Wachstumsrate im Hauptgeschäft von Alphabet wurde praktisch halbiert.
Der entscheidende Vorteil von Facebook: wenn Werbetreibende ausfallen, können andere Werbetreibende an ihre Stelle treten. Dazu David Wehner aus dem Earnings Call:
It's -- and so we're able to backfill that with other bids from other clients. So we're seeing a lot of bidding into the system from gaming and e-commerce. As prices come down, it's also more economic and they can get the ROIs that they want. So it's a natural way in which those -- that happens and you see a replacement effect there. So that's working well.
Beispiel: Die Reise-Industrie zieht ihre Budgets von Facebook zurück. Allerdings möchten Gaming-Unternehmen die gleiche Zielgruppe bewerben. Der Wegfall ganzer Branchen kann kompensiert werden. Facebook hat ein nach unten begrenztes Risiko.
Google hat dies nicht!
Auf der Suchseite nach “Reise Barcelona” wird nicht plötzlich eine Anzeige eines E-Commerce- oder eines Gaming-Unternehmens erscheinen. Diese Suchseiten werden schlechter monetarisiert und Google kann dies nicht kompensieren. Eine Ausnahme: YouTube, welches ein ähnliches Targeting wie Facebook erlaubt. Aber YouTube trägt “nur” 1/6 der Werbeumsätze bei.
Ich habe keine Ahnung, wie wegfallende Umsätze aus der Reisebranche - trägt 10% zu Googles Umsatz bei - aufgefangen werden sollen. Für das nächste Quartal könnte ich mir sogar ein Negativ-Wachstum vorstellen.
Zurück zum Anfang, meinem Denkfehler:
Eine Reduktion von Marketing-Budgets wird auch Facebook und Google treffen. Da primär Brand-Budgets gestrichen werden, gehe ich von einem größeren Impact bei Facebook aus.
Genau dieser Punkt war falsch. Ja, Brand-Budgets wurden bei Facebook gestrichen. Aber andere Werber - vielleicht mit Direct Response Marketing - haben die Plätze eingenommen. Das Geschäftsmodell von Facebook ist widerstandsfähiger in der Krise.
Vielleicht hilft dieser Punkt auch bei der Einordnung der Personalplanung in der Krise: Facebook möchte in 2020 über 10.000 neue Mitarbeiter einstellen, Google möchte weniger Mitarbeiter als geplant einstellen.
Ausblick - Meckern auf hohem Niveau
Ich gebe zu: das ist Meckern auf hohem Niveau. Facebook und Google sind beide Champions League. Auch wenn Facebook das widerstandsfähigere Werbemodell hat, sind beide Unternehmen gut aufgestellt für eine raues Marketing-Umfeld in den nächsten Monaten.
Facebook und Google gehören zu den letzten Marketing-Kanälen, die abgeschaltet werden. Gerade im lower Funnel, nah an der Transaktion, lassen sich die Kanäle sehr spezifisch steuern.
Facebook und Google sind auch von sinkenden Werbebudgets betroffen, aber weniger als andere Marktteilnehmer. Diese Krise kann und wird die Wettbewerbs-Situation der Werbegiganten stärken. Ben Thompsen schreibt dazu:
I am reminded of the debate around GDPR; sure, Google and Facebook would be hurt — that’s why they opposed it — but everyone else would be hurt worse, strengthening Google and Facebook’s long-term competitive position. That is what happened then, and the same thing is going to happen now.
Leseempfehlung: Shopify und „Aggregation Theory“ von Neunetz
Marcel Weiß ist ein langjähriger Begleiter der Digitalszene, manche kennen ihn auch aus dem Podcast Exchanges mit Jochen Krisch. Unter neunetz betreibt Marcel einen Blog, Podcast und mit Nexus seit kurzem auch einen Paid Newsletter. (Reminder für mich: mit Marcel einmal über die Resonanz sprechen).
Spannend fand ich den Beitrag “Shopifys neue Shop-App und die mobile Zukunft im Handel”, die heutige Leseempfehlung.
Dort geht es um die neue App “Shop” von Shopify. Sie ermöglicht Shopify Händler zu entdecken und übergreifend Bestellungen zu tracken. Mehr dazu auch beim ShopTechBlog.
Ich kann die Idee hinter der App nachvollziehen, allerdings passt sie in meinen Augen nicht zu der bisherigen Ausrichtung von Shopify - eher im Hintergrund bleiben und die Kundenbeziehung komplett dem Shop überlässt.
Den Punkt “Plattform vs. Aggregator” hat Marcel aufgegriffen. Er argumentiert:
Die Shop-App richtet sich nicht an die „strongest and most differentiated brands“ sondern an den Long Tail, der noch dahinter kommt. Für diese Händler ist das die Alternative zu Instagram, eBay-Präsenz und Amazon-Marktplatz. (Und, nochmal, weit abgeschlagen, der mobilen Website.)
Viele der Shopify-Händler/Marken kommen aus der Instagram-Welt und sind dort groß geworden. Nur: 90% sind nicht relevant genug, um eine direkte Kundenbeziehung aufzubauen. Sie brauchen Instagram & Co., um den Kunden zu erreichen.
Shopify hat sie dabei sehr gut unterstützt, indem eine einfache Anbindung an die Social Media Welt möglich ist, einfaches Payment und neuerdings eine einfache Logistik.
Die Shop-App probiert nun selber, teil der Aggregatoren-Welt zu sein, quasi seinen Händlern eine Abkürzung für die Kundenbeziehung zu bauen. Dagegen spricht erst einmal nichts - außer vielleicht, dass B2B-Unternehmen in der Vergangenheit mit Endnutzer-Apps wenig Erfolg hatten.
Kritischer sehe ich den von Marcel erwähnten Punkt:
Sollte die Shop-App ein Erfolg werden, sprich der Shopping-Feed stark frequentiert werden, ist es naheliegend für Shopify, irgendwann auch bezahlte Platzierungen zu verkaufen.
Durch bezahlte Platzierungen wäre die App klar als Aggregator einzuordnen, jemand der eine Kundenbeziehung übernehmen möchte, und diese monetarisiert. Shopify wäre damit sowohl Schnittstelle des Händlers (a) zu den Operations (Shop, Payment, Logistik) als auch (b) die Schnittstelle zum Kunden.
Das “weiße Ritter” Image von Shopify ließe sich schwer aufrechterhalten, die sehr klare Ausrichtung verwässert werden. Ich hoffe, dass der nächste Schritt aus dem Aggregatoren-Playbook nicht erfolgt.
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Danke für den Support, einen tollen Tag - und natürlich: bleibt gesund!
Danke für die Empfehlung! Ich muss das Shop-App-Thema bei Gelegenheit nochmal besser ausführen. Tatsächlich meinte ich weniger "Alternative" zu Insta und co. wie ich blöderweise selber schrieb, sondern Ergänzung, die die Abhängigkeit der Händler von Instagram, Pinterest, Google etc. abschwächen kann. Für Shopify und seine kleineren Händler ist doch die Frage, wo die Distribution stattfindet. (Oder eher noch: auf wie viele Kanäle sie verteilt ist.) Ich finde es naheliegend und wichtig, dass sie auf dieser Ebene mitmischen. Man muss das im Kontext der Macht von Insta und co. sehen. Erfolg ist natürlich alles andere als gegeben.