eBay - Marktplatz der 2. Reihe
Hallo zusammen,
nach einem Ausflug nach China in der letzten Analyse geht es heute zurück zu einem “Gründungsmitglied des E-Commerce”. Viel Spaß beim Lesen.
Zum Inhalt:
eBay - zurück zu alten Höhen?
Viele Tech-Aktien stehen nach der letzten Rally auf all-time high oder nahe dran. Die Marktkapitalisierung von Profiteuren der Home Economy - wie Amazon, Peloton, Paypal oder Twilio - haben sich seit März teilweise vervielfacht.
Quasi unbemerkt von der breiten Medienlandschaft hat sich auch eBay zu neuen Höhen aufgeschwungen.
Der eBay-Marktplatz wurde noch nie so wertvoll eingeschätzt. Nur Mitte 2015 war der Aktienkurs höher, damals allerdings noch inkl. Paypal, also nicht vergleichbar.
Das aktuelle Hoch ist umso erstaunlicher, da eBay sich Ende letzten Jahres von seiner Ticketplattform Stubhub getrennt hat und auch für das Kleinanzeigengeschäft ein Käufer gesucht wird. Beide Geschäftszweige haben kräftig zum Umsatzwachstum beigetragen und waren auch ergebnisbringend (zumindest StubHub). Übrig bleibt der Marktplatz.
Was sehen Investoren im eBay Marktplatz? Gibt es irgendwelche fundamentalen Änderungen?
Geschichte - vom Marktführer in die 2. Reihe
Die eBay Geschichte wird vielen bekannt sein. 1995 gründete der iranisch-amerikanische Programmierer Pierre Omidyar AuctionWeb als Teil einer größeren persönlichen Website. Heute ist AuctionWeb unter dem Namen eBay bekannt, und eine der traffic-stärksten Websites der Welt.
eBay war lange das cool kid, inzwischen hat Amazon deutlich den Rang abgelaufen. Sowohl was die öffentliche Wahrnehmung angeht, als auch die Plattformumsätze.
Auch Walmart inzwischen online an eBay vorbeigezogen. Das eBay beim Marketplace Hausaufgaben zu machen hat, ist auch dem Management bewusst. Hier ein Auszug aus einem Brief an die Mitarbeiter von März 2020 (Hervorhebungen von mir):
As we shared at the last all hands, turning around the Marketplaces business is a huge opportunity that we’re focused on. Teams are executing the changes needed to deliver on the volume, revenue, and earnings commitments we made in January.
Wo eBay falsch abgebogen ist, darüber lässt sich vortrefflich diskutieren. Hier nur ein paar Meinungen:
eBay konzentrierte sich auf Verkäufer, die einzelne Artikel anbieten. Amazon sprach große Händler an und erzielte eine bessere Sortimentsabdeckung bei relevanten Produkten.
Die eBay Experience war schlechter: längere Lieferzeiten, schlecht gepflegter Katalog, höherer Aufwand beim Kauf.
eBay hatte als eines der ersten Unternehmen Vertrauen zwischen Einzelpersonen digital umgesetzt, durch Reviews in großem Umfang. Hätte etwas wie AirBnb nicht als SpinOff aus eBay entstehen müssen, ein System, was auf Vertrauen basiert?
Aber um die Vergangenheit soll es heute nicht gehen. In den folgenden Abschnitten schauen wir wo eBay aktuell steht, und wo sie hinwollen.
Blick auf die Zahlen - Profitabel, aber kaum Wachstum
Kurz und knackig ein Blick auf die Kennzahlen von Q1/2020:
eBay hatte im ersten Quartal einen Umsatz von 2,4 Mrd. USD erzielt. Fast 90% des Umsatzes macht der Marktplatz aus. Der Plattformumsatz (GMV) lag bei 21,3 Mrd. USD.
Währungsbereinigt wuchs der Umsatz um 1%, der Plattformumsatz sank um 1%. Auch die Anzahl der aktiven Kunden blieb konstant.
eBay ist deutlich profitabel, die EBIT-Marge liegt konstant bei 26%. eBay hatte einen Free-cash flow von über 600m USD.
Zusammengefasst: eBay ist nach wie vor ein profitables gesundes Unternehmen, es wächst nur nicht mehr. Wichtigste Kennzahl zur Bewertung ist für mich dabei der Plattform-Umsatz:
Strategie - Rückbesinnung auf alte Stärken und kleine Händler
Dieses Jahr hat Jamie Iannone die Rolle als CEO übernommen. Er kennt eBay noch aus früheren Zeiten, kehrt nun von Walmart zurück zu seinem ersten Arbeitgeber. In seinen ersten Auftritten machte er klar, wo er zukünftig den Fokus setzen möchte - auf kleine und mittelständische Händler.
eBay’s success has always been rooted in its robust C2C platform. I believe the Company has tremendous opportunities to capitalize on this foundation, innovate for the future and grow its ecosystem. I look forward to working with our global teams to enhance buyer experiences and provide more capabilities that will help small businesses sustain and grow.
Hierfür gibt es einige Wachstums-Initiativen auf Business Seite:
Logistik: Seit 2018 bietet eBay seinen gewerblichen Händlern auch Logistik-Leistungen an, ähnlich wie Amazon oder ODC - ein Startup der Otto Group. Dabei betreibt eBay die Warenhäuser nicht selber, sondern arbeitet mit Logistik-Anbietern. Verglichen mit FBA scheint eBay-Logistik aber noch klein: “225 Händler gibt es bisher, 250 neue Interessenten befinden sich im Onboarding”, sagt der deutsche eBay-Unternehmenssprecher Carl Weuster in der aktuellen Internet World Business.
Werbung: Bei eBay können Listings über ein Werbesystem besonders hervorgehoben werden, um Händlern eine höhere Reichweite zu beschaffen. Dieses wird sehr positiv angenommen, die (hochprofitablen) Umsätze stiegen um 109%. Anders als bei Amazon funktioniert die Abrechnung auf CPO-Basis, der Händler muss also nicht selber ins Risiko gehen.
Bessere UX: Die User Experience soll weiter verbessert werden. In der Vergangenheit hat eBay schon massiv in bessere Produktdaten investiert, über die Initiative “Image Cleanup” sollen auch Angebotsbilder attraktiver und einheitlicher werden. (“uses computer vision technology to create a more consistent-looking buyer experience and is more effective in Google Shopping”.) Wie bei vielen anderen Anbietern, arbeitet eBay stark an einer besseren Personalisierung.
Bewertung - Probleme auf Kundenseite und Händlerseite
Die einzelnen Maßnahmen klingen alle sinnvoll - und vergleichbar mit Initiativen von Etsy (Etsy - der Opel unter den Marktplätzen). Ob diese Initiativen aber das strategische Problem von eBay lösen, wage ich zu bezweifeln. eBay hat in meinen Augen zwei Kernprobleme:
eBay ist aus Kundensicht nie “der Beste”
eBay war anfangs attraktiv, da es das breiteste Angebot hatte mit einer vernünftigen UI. Dazu kam der “Kick” der Auktionen.
Diese Zeiten sind aber vorbei. E-Commerce ist über die Zeit omnipräsenter geworden, es ist für viele Produktgruppen zu einer Nebenbei-Aktivität geworden. Verglichen mit Amazon und vielen anderen Shops bietet das Einkaufen auf eBay eine schlechtere Experience: durchschnittlich längere Lieferzeiten, ein komplexerer Checkout und schwierigere Auffindbarkeit der Produkte.
eBay kann weder mit einem sehr "einfachem Einkauf” glänzen, noch ist es eine sehr inspirierende Plattform wie es z.B. AboutYou für Fashion aufbaut.
Selbst das Marktplatz-Geschäft ist über die Zeit angegriffen worden. Vertikale Marktplätze für spezifische Sortiment sind entstanden, die durch ein tieferes Produktverständnis und spezialisierte Services eBay als Generalist überlegen sind.
Beispiel Sneaker: eBay war einmal der Marktplatz #1, um besondere Sneaker zu kaufen/verkaufen. Sneaker wurden zum Trend und spezialisierte Marktplätze wie GOAT oder StockX entstanden. Neben besseren Produktdaten, einer passenderen Produktanmutung boten die Plattformen auch Services wie eine Echtheits-Prüfung an. Das Ergebnis: Um wieder kompetetiv zu werden, verzichtet eBay aktuell auf Verkaufsgebühren. Die Umsatzentwicklung:
Sneakers are a key area for growth for eBay. In 2019, 6 million pairs of sneakers were sold through eBay, and $10 million worth of sneakers were sold on eBay in 2018, up from $2 million the year before. For comparison, StockX brought in about $700 million last year, though that includes its other categories, which make up a smaller portion of the company’s total revenue.
Diese Beispiele ließen sich für verschiedene Sortimente fortsetzen. Zusammengefasst: mir fällt keine Kategorie ein, wo ich sage: “eBay ist die beste Plattform dafür.”
Für Händler gibt es bessere Alternativen:
eBay möchte zukünftig vermehrt kleine und mittelständische Händler ansprechen. In diesem Umfeld sind sie nicht alleine. Auch Shopify adressiert diesen Markt sehr erfolgreich, wie viele andere Shopsysteme auch. Daneben entscheiden sich viele Händler/Marken ihr Geschäft auf Amazon aufzubauen. Dort sind die meisten Kunden.
Bauen Händler ihren eigenen Shop auf, dann “ownen” sie die Kundenbeziehung. Bauen sie ihr Geschäft auf Amazon auf, zahlen sie Provisionen, adressieren aber das größtmögliche Publikum.
Wo passt nun eBay rein? Dort besitzt der Shop auch nicht die Kundenbeziehung, er erreicht aber auch nicht die größtmögliche Reichweite. Warum sollte ein Händler auf eBay starten?
Ich halte Verkaufen auf eBay als Ergänzung für den eigenen Shop oder als zusätzliches Marktplatzgeschäft sinnvoll. Aber damit ist eBay ein Marktplatz aus der zweiten Reihe. Das schlägt sich auf das Umsatzwachstum wieder.
Fazit - Weiterhin in der zweiten Reihe
Zurück zum Anfang. Wir sind mit der Fragestellung gestartet, ob sich an eBays Entwicklung etwas Fundamentales geändert hat. Das ist nicht der Fall - weder in der Positionierung, noch in den Kennzahlen oder in der Strategie. eBay bleibt ein profitables Unternehmen, welches stagniert. Ich kann mir den starken Anstieg des Aktienkurses nicht erklären.
Anders als bei Etsy kommt bei eBay bei mir keine Liebe auf. Ein schwieriger Fall. Ich wünsche dem neuen CEO Jamie Iannone viel Erfolg und vielleicht hat er ja noch das eine oder andere Ass im Ärmel, von welchem wir noch nichts ahnen.
Leseempfehlung: The Hierarchy of Marketplaces
Passend zum Thema Marktplätze, geht es bei der heutigen Leseempfehlung um eine dreiteilige Serie von Sarah Tavel zu “Hierarchy of Marketplaces”.
Eine fantastischer Artikel mit vielen konkreten Beispielen. Sarah sagt:
Marketplaces that are able to scale the hierarchy build dominant “winner take most” value. What is required to get there is a focus not on GMV, but on creating happiness.
The marketplace that wins is the marketplace that figures out how to make their buyers and sellers meaningfully happier than any substitute. GMV is irrelevant — a vanity metric that can lead you down the wrong path if you chase it.
Das Thema Kundenzufriedenheit zieht sich durch die Serie: In Teil 1 geht es um “Minimal viable happiness”, wie Marktplätze durch Fokussierung und ein gutes Grundprodukt einen Markt für sich erschließen können. In Teil 2 geht es um den Wachstumskreislauf. In Teil 3 geht es darum den Markt zu dominieren.
Wenn Dir den Newsletter gefällt, empfehle ihn gerne an Freunde und Kollegen weiter. Tägliche News gibt es wie üblich auf Twitter oder LinkedIn. Unseren Podcast findest Du auf Spotify, Soundcloud und bei Apple Podcast.
Danke für den Support, einen tollen Tag - und natürlich: bleibt gesund!