#10: Paypal - Payment with Benefits
Paypal übernimmt Honey für 4 Mrd. USD, E-Commerce Theorie auf hohem Niveau
Guten Morgen,
heute Ausgabe #10, die Weihnachts-Edition und der letzte Newsletter für dieses Jahr. Ich wünsche allen Lesern erholsame Weihnachtstage, einen guten Rutsch und ein tolles Jahr 2020.
Danke für das Interesse am Newsletter. Die letzten Monate des Schreibens haben mir sehr viel Spaß gemacht. 2020 gibt es mehr davon, vielleicht mit weiteren Ausbau-Stufen wie Podcasts. Ich werde damit über die Weihnachtstage rumspielen.
Zum Inhalt:
Paypal kauft Honey für 4 Mrd. USD
"Wer oder was ist Honey?", werden sich die meisten Leser fragen. Nicht verwunderlich, das Unternehmen hat sich seit der Gründung 2012 sehr bedeckt gehalten. Dennoch ist die Übernahme von Honey mit 4 Mrd. USD Paypal’s bisher teuerste Akquisition. PayPal CEO Dan Schulmann sagt zu Übernahme:
Honey is amongst the most transformative acquisitions in PayPal’s history.
Zeit hinter die Kulissen zu blicken. Und wenn mich Jochen darum bittet, dann machen ich es natürlich doppelt gerne.
Was macht Honey? Wie verdient Honey Geld?
Honey Science Corp ist v.a. für eine Browser-Erweiterung bekannt, die Nutzern hilft Geld zu sparen. Die Extension prüft eine große Sammlung von Rabattcodes und fügt den passenden Code automatisch im Checkout des Shops ein, auf dem der Benutzer gerade etwas bestellt. Der Nutzer erhält den günstigsten Preis, ohne dass er aktiv etwas machen muss.
Honey hat über die Jahre sein Produkt-Portfolio um eine Mobile App, ein Cashback-Programm ("Honey Gold") und Preis-Tracking Tools ergänzt. 17 Mio. monatliche Besucher haben im letzten Jahr ca. 1 Mrd. USD gespart. Die Lösungen sind für Kunden kostenlos.
Branchen-Experten aus den USA loben die gute Personalisierung, den eindeutigen Kundenmehrwert und die einfache Usability von Honey.
Honey offers stickiness, frictionless design, and persistent value–informed by precise persona and journey-mapping. Despite the initial onboarding friction of installing a browser plug-in, Honey fulfills its promise of decreasing the time and energy needed to find online deals.
Das Unternehmen verdient über Affiliate-Provisionen Geld, erhält bei einem erfolgreichen Verkauf eine Vermittlungsgebühr der teilnehmenden Händler. Das sind aktuell ca. 30.000 Händlern, von Fashion und Technik über Reise bis zu Lieferdiensten.
Warum machen Händler bei dem Coupon-Geschäft mit? Mehr Bestellungen. Eine der größten Herausforderungen im E-Commerce ist, dass ca. 75% der Einkäufe im Warenkorb abgebrochen werden; ein passender Coupon kann einen Verbraucher dazu bringen final auf "Bestellung abschicken" zu klicken.
2018 soll Honey einen Netto-Gewinn bei $100 Millionen Umsatz erwirtschaftet haben, die genaue Höhe ist nicht bekannt.
Honey Science Corp sitzt in LA, beschäftigt über 300 Mitarbeiter und ist in Australien, Großbritannien, Indien, Kanada und den USA tätig. Nach der Übernahme sollen die Marke und das Unternehmen bestehen bleiben.
Was hat Paypal mit Honey vor? Drei Gedanken
Dan Schulman, CEO von PayPal, schreibt zur Übernahme.
Honey is amongst the most transformative acquisitions in PayPal’s history. It provides a broad portfolio of services to simplify the consumer shopping experience, while at the same time making it more affordable and rewarding. The combination of Honey’s complementary consumer products with our platform will significantly enhance our ability to drive engagement and play a more meaningful role in the daily lives of our consumers. As a partner of choice for our merchants, this is another way that we can help them build and strengthen their customer relationships, provide personalized offers, and drive incremental sales.
An dem Deal scheiden sich die Geister: Befürworter loben den strategischen Mehrwert, da der Zukauf beträchtliches Cross-Selling-Potential heben könnte. Skeptiker verweisen hingegen auf den hohen Preis. Paypal legt immerhin 230 Dollar pro Nutzer auf den Tisch.
Im Hinterkopf behalten: Paypal hat auch einen guten Track-Rekord bei Akquisitionen. Das Unternehmen kaufte Braintree für $800 Millionen - der Deal beinhaltetet Venmo, heute der größte Wachstumstreiber bei Paypal.
Was kann Paypal zu dem Kauf bewogen haben. Drei mögliche Gedanken:
(1) Daten als Vertriebshebel für neue Händler: Honey sitzt auf einem riesigen Datenpott - sowohl auf Angebotsseite als auch auf Kundenseite. Das Unternehmen aus LA trackt die Preisentwicklung von Millionen von Produkten, kennt Nachfragetrends und hat gute Beziehungen zu über 30.000 Onlineshops. Auf Kundenseite schafft es Honey Angebote für Kunden zu personalisieren, indem sie individuelle Rabatt-Pakete für jeden Nutzer anbieten. Basis dafür sind Cookies, Pixel Tags, Web Beacons und andere Tracking-Technologien. Als Brower-Extension kann Honey quasi alle Website-Daten mitlesen. Aus der Datenschutzerklärung von Honey:
[..] If you do your shopping on the Honey Website or use the Honey Mobile App, we may use this information to provide you with a more tailored, relevant experience or show sponsored product offers that may interest you.
Honey ist für seine Partnershops quasi eine Marketing-Automatisierung-Plattform, fokussiert auf Kampagnen für preisorientierte Kunden. Es hilft neue Kunden zu gewinnen - personalisiert und kanalübergreifend. Der ROI sollte höher sein, als bei schlecht umsetzten, pauschalen Gutscheinaktionen. Ach ja, und wenn die Händler schon Honey einsetzen, können sie doch auch direkt Paypal einbinden.
(2) Direkter Kundenzugang durch Mobile App: Die alte Frage: "Wer besitzt den direkten Kundenzugang?" Paypal und Co. haben ihn im Shopping-Kontext bisher nicht, der liegt bei Shops und Marktplätzen. Das möchten FinTechs wie Paypal und Klarna ändern, sie wollen in der Customer Journey weiter vorne präsent sein. Venmo startete ein Cashback-Programm für seine physische Debit card. Auch die Pressemeldung von Paypal deutet in Richtung “Customer Journey”:
Honey will enable PayPal to reach consumers at the beginning of their shopping journeys and will enhance PayPal's ability to help merchants acquire and convert consumers by delivering offers that are personalized, timely, and optimized across channels.
Honey hat eine Mobile App am Markt, den Honey Smart Shopping Assistant. Nutzer können Produkte von verschiedenen Händlern in den Warenkorb legen und (nach meinem Verständnis) direkt in der App kaufen. Gleichzeitig können Punkte für das Loyalty-Programm Honey Gold gesammelt werden. Ein Sprecher von Paypal bestätigte gegenüber TechCrunch, dass der FinTech besonders an einigen Features der App interessiert war, um diese in die Paypal- und Venmo-App zu integrieren. Paypal als Start-Punkt der Shopping-Journey?
Zwei Nebeneffekte:
Transaktionen via Paypal, getriggert durch Honey, erhöhen die eingenommenen Gebühren für das Kerngeschäft.
Gesammelte Prämien müssen nicht mehr als Gutschein oder Bargeld ausgezahlt werden, sondern können direkt in den Venmo/Paypal Account gehen.
(3) Differenzierte Wettbewerbsposition: Der dritte Punkt ergibt sich aus den beiden vorherigen Punkten. Paypal hat Online-Shopping in den letzten zwei Jahrzehnten voran gebracht. In letzter Zeit treten mehrere Tech-Giganten in die Payment-Arena ein - Amazon, Apple, Facebook und Google, um nur ein paar zu nennen. Mehr Wettbewerb kann die Gebühren für PayPal nach unten bringen und die Cash-Maschine ins Stottern bringen. Paypal versucht seinen Händler Zusatzleistungen anzubieten, und sich weniger vergleichbar zu machen. Honey soll ein Puzzelstück in dieser Strategie sein.
Fazit - strategisch gut, aber teuer.
Von außen betrachtet macht der Zukauf für Paypal Sinn. Das Gesamtpaket Paypal kann sowohl für Händler (Value-Add durch datengetriebene Marketing-Kampagnen) als auch für Kunden (Bessere Funktionalität für die Paypal oder Venmo-App) interessanter werden. Paypal bewegt sich in der Customer Journey weiter nach vorne, und verlässt den reinen Payment-Bereich.
Persönlich glaube ich, dass die Argumentation gegenüber den Händlern für Paypal wichtiger ist als der Endnutzer. Der Preis scheint mir zu hoch für die eingekauften Daten & Kunden, aber vielleicht bringt der Quartalsbericht nach abgeschlossener Übernahme mehr Licht ins Dunkel.
Ich sehe allerdings nicht, wie die Marke Honey langfristig in die skizzierte Strategie passt. Meine Vermutung: die Marke wird verschwinden, trotz anderslautender Meldungen in der Pressemitteilung.
Hörempfehlung: Diskussion zwischen Sven Schmidt & Alex Graf im OMR-Podcast
Vor drei Newsletter-Ausgaben habe ich den OMR-Podcast von Philipp Westermeyer mit Gast Alex Graf empfohlen. Sven Schmidt hatte darauf in einem anderen Podcast geantwortet - und war komplett anderer Meinung. Philipp hat die beiden einmal zu einer Diskussion zusammengebracht.
OMR Folge 242 ist für mich eine der besten Folgen bisher überhaupt: E-Commerce Theorie auf hohem Niveau mit zwei Gästen, die sauber argumentieren. Im Endeffekt bleibt jeder bei seiner Position, der interessierte Hörer bekommt aber ein guten Einblick in das Universum Amazon. Aus Sicht der Händler, aus Sicht der Kunden und aus Sicht der Shareholder. Eher eine Folge für Fortgeschrittene, aber absolut hörenswert.
Wenn Dir den Newsletter gefällt, leite ihn gerne an Freunde und Kollegen weiter. Tägliche News gibt es wie üblich auf Twitter oder LinkedIn.
Danke für den Support und einen tollen Tag!