Pinduoduo - Wolken im Paradies
Hallo zusammen,
wow, danke für das viele Feedback zu Teil I der Pinduoduo-Analyse. Mein persönliches Highlight war die Veröffentlichung des Artikels als Gastbeitrag auf OMR. So macht das Schreiben Spaß.
Eine Umstellung im Newsletter: die Leseempfehlungen im Anschluss an die Analysen wird es zukünftig nicht mehr geben. Die Analysen sind oft schon 1.500 Worte aufwärts und ich möchte sie kompakter gestalten. Dafür wird es die Artikelempfehlungen im etablierten Format “🍿 am Freitag” geben.
In eigener Sache: ich werde K5 TV rund um Sven Rittau unterstützen. Nächste Woche wird von Dienstag bis Donnerstag E-Commerce-Wissen in unterschiedlichen Formaten präsentiert. Viele bekannte Gesichter der Szene sind dabei, die Teilnahme ist kostenlos. Am Donnerstag, den 15.10.2020 zwischen 12:00 - 13:00 Uhr werde ich Geschäftsmodelle auseinandernehmen. Fokus: China. Leser dieses Newsletters wird das eine oder andere sicher bekannt vorkommmen.
Zum Inhalt
Pinduoduo - Wolken im Paradies
Wer Teil 1 der Analyse zu Pinduoduo (PDD) nicht gelesen hat, dem möchte ich dies ans Herzen legen. Grundlegendes Wissen über das Unternehmen setze ich heute voraus.
PDD ist in den letzten Jahren raktetenhaft gewachsen, erzielt heute ein GMV von 185 Mrd. USD. Kein Unternehmen erreichte schneller einen Unsatz von 5 Mrd. USD. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren sind aus meiner Sicht:
Entwicklungen der nächsten Jahre
Im heutigen Titel möchten wir den Blick nach vorne werfen, auf die nächsten Jahre. Welche Wachtumshebel hat Pinduoduo noch, welche Hindernisse können ihnen auf dem Weg begegnen?
Im Moment beobachte ich fünf Entwicklungen, auf die ich in Folge näher eingehe - die Hälfte davon eher negativ. Wolken ziehen im Paradis auf.
#1 | Covid-19 - kurzfristiger Turbo und langfriste Partnerschaft durch gemeinsame Produktentwicklung
Die Pandemie hat Pinduoduo viele neue Lieferanten beschert. Viele der neuen Partner waren vorher für den Konsumenten unsichtbare Produzenten, die ihre Produkte an ausländische Marken verkauft haben, die diese dann für einen vielfachen Preis an Endkonsumenten verkauft haben. Durch COVID-19 brachen ausländische Absatzmärkte weg, viele Marken haben Bestellungen storniert. Die Produzenten saßen auf Überkapazitäten. PDD half genau diesen Produzenten durch eine Bündelung der Nachfragen ihre Produkte abzuverkaufen - zu ähnlichen Preisen, die sie auch von den Marken bekommen hätten. Zusätzlich können diese Produzenten probieren eigene Marken über die PDD aufzubauen.
PDD unterstützt Marken bei der Produktentwicklung. Durch Konsumentendaten kann die Plattform gut Verkäufe prognostizieren und Produkt besser machen. Turner Novak schreibt dazu:
They could cut costs by reducing demand mismatches, tweak clothing styles, redesign food packaging, accelerate product development timelines, launch entirely new products, and even integrate PDD’s data directly into their manufacturing lines.
Im Jahr 2019 führte Pinduoduo 106 dieser "herstellereigenen Marken" ein. In 2020 sollen weitere 1.000 dazukommen. Um das Potenzial für PDD zu zeigen: Laut einer Notiz der Citi "operierten bis Ende 2018 mehr als 1 Million Händler auf der PDD-Plattform, aber sie umfassen nur 552 etablierte Marken. Dem stehen 150.000 etablierte Marken auf Tmall gegenüber".
Ich gehe davon aus, dass der “direkte Verkauftskanal” über PDD auch weiterbespielt wird, wenn die Auslandsnachfrage wieder anzieht. Diversifizierung ist King.
Bewertung: ✅
Corona beschert PDD viele neue Partner zu günstigen Akquisitionskosten. Diese sind wahrscheinlich langfristig aktiv.
#2 | Härterer Wettbewerb mit den Platzhirschen
Das Wachstum Pinduoduos blieb nicht unbemerkt. Ende 2019 startete JD auch einen Beinahe-Klon der PDD-App namens Jingzi, die sich mit Gruppenkäufen speziell an kleinere Städte richtete.
Schon im März 2018 startete Alibaba seine Konkurrenz-App Teja. Zwei Jahre später kündigte das Unternehmen eine engere Zusammenarbeit mit Produzenten an. Alibaba versucht mit diesen Lieferanten Exklusivität zu vereinbaren, um sie von der Pinduoduo-Plattform fernzuhalten. Ein rechtlich fragwürdiges Unterfangen.
Seine landwirtschaftliche Flash-Verkaufsplattform Juhuasuan startete Alibaba 2019 unter der Leitung von Jiang Fan, einer 34-jährigen Führungskraft, die sowohl für B2B Tmall als auch B2C Taobao zuständig ist.
Der letzte Schritt: angeblich sperrt Alibaba die persönlichen Taobao-Account von PDD-Mitarbeiten und deren Familien. Alibaba macht ernst.
Bewertung: ⏳
Der höhere Wettbewerb kann das Wachstum auf Kundenseite (günstigere Preise bei anderen Apps) wie auch auf Lieferantenseite (Exklusivität von Produzenten) bremsen. In den Zahlen ist dies aber noch nicht abzulesen.
#3 | Positionierung über den Preis als stragetische Sackgasse
Discount-Modelle funktionieren in der Regel kurzfristig für viele E-Commerce-Plattformen gut, aber nicht unbedingt langfristig. Warum?
Es kann immer jemand kommen, der noch höhere Rabatte anbietet - tiefe Taschen vorausgesetzt.
Mit einer Positionierung über den Preis ist es schwierig offizielle Verträge mit “echten” Marken abzuschließen.
Gerade der zweite Punkt kann zu einem Problem für PDD werden. Investoren werden die Plattform daran messen, wie gut sie es schaffen (a) regelmäßig neue Nutzer zu gewinnen - wir erinnern uns an die hohen Marketing-Ausgaben von über 70% des Umsatzes- und (b) Warenkörbe zu erhöhen. Dies wird schwierig, wenn PDD nicht gut mit Premium- und Luxusmarken umgehen kann.
Im Gegensatz zu Tmall und JD.com, die Jahre damit verbracht haben, Beziehungen zu Luxusmarken aufzubauen, hat Pinduoduo keine offiziellen Partnerschaften mit irgendeiner Luxusmarke oder -gruppe. Und: Obwohl PDD kleiner ist, gab es dort mehr Beschwerden als bei Taobao & Tmall von Alibaba zusammen. Eine Woche nach ihrem Börsengang im Juli 2018 traf PDD sich mit Regierungsvertretern, um zu erörtern, wie mit diesen Beschwerden umgegangen werden soll.
Dies könnte ein treibender Faktor für Pinduoduos großen Vorstoß in Wachstumsbereiche wie Content-Commerce sein. Pinduoduo hat in diesem Jahr viel in das Livestreaming und eine bessere Inszenierung von Produkten investiert.
Der Livestream im Juni dieses Jahres mit der Schauspielerin Zhao Tao zog im Laufe seiner vierstündigen Sendung 16 Millionen Zuschauer an und verkaufte eine Reihe von Produkten im Wert von 20 Mio. USD. Ein subventioniertes iPhone 11 zum Preis von 609 USD verkaufte sich 14.000 mal.
Bewertung: ⛔
In seiner jetzigen Form ist Pinduoduo umsatzseitig ein Rivale von JD.com und Tmall, nicht aber was exklusive oder offizielle Zusammenarbeit mit Marken angeht. Ein reines Discount-Modell ist eine strategische Sackgasse, der Burggraben ist nicht groß genug. PDD probiert sich zu wandeln, dies wird aber Zeit und Investitionen benötigen.
#4 | Internationalisierung schwierig
Investoren und Analysten erhoffen sich viel von einer Internationalisierung von PDD. Y Combinator schreibt dazu:
The success of team purchase may be specific to the commercial landscape of China, but the insights Pinduoduo has surfaced about social integration in commerce is likely entirely universal. Going forward, when building their products, founders should consider the insight that shopping is a social activity. Web 1.0 platforms - including Amazon - optimize for efficiency and don’t serve trust-based categories very well. We firmly believe that by building sharing use cases and fun experiences that mimic the fun of real-world shopping into products, commerce’s offline to online transition will accelerate. […]
Meanwhile Pinduoduo’s social commerce is only gaining sophistication and market influence. Pinduoduo has already aggregated enough consumer insights that they are able to collaborate with and influence manufacturers in China to cater to their user base. If there is a gap in the US e-commerce market, it is not just an opportunity to grow domestic online retail.
Ich glaube an die Verbindung von Social und Commerce. Ich glaube aber nicht, dass PDD abseits von China relevant wird. Von den oben genannten Erfolgsfaktoren, lassen sich die meisten nicht übertragen:
Mobile UI mit Spielelementen - ich sehe im Markt noch keine Nachfrage an Games in Shopping-Apps
Lösen des Vertrauensproblem - besteht in der westlichen Welt nicht in dem Maße wie in China. Das Vertrauen gegenüber Marken, Shops und Bewertungen ist höher als in Fernost.
Günstige Kundenakquisitionskosten - WeChat als Beschleuniger fehlt in der westlichen Welt. Facebook wird einen Teufel tun, hier Statthalter für PDD zu werden. Dieses Geschäft möchte Facebook in der westlichen Welt selber machen.
Bewertung: ⛔
Wie bisher die meisten chinesischen Player wird sich PDD außerhalb von China schwertun.
#5 | Erweiterung des Geschäftsmodells
Neben dem Kerngeschäft startet PDD inzwischen weitere Geschäftsmodelle, um weitere Mehrwerte für den Kunden, vor allem aber für Lieferanten zu schaffen. Diese Modelle können die Erlösströme diversifizieren und die Margen durch attrattive Saas-Modelle erhöhen. AWS lässt grüßen.
Ein Beispiel: Universitäre Ausbildung und eine SaaS-Lösung für Landwirte
PDD-Gründer Colin Huang setzt sich sehr leidenschaftlich für eine höhere Effizienz der chinesischen Landwirtschaft ein. Pinduoduo baut 1.000 landwirtschaftliche Plantagen, auf denen unter anderem Kaffee, Tee und Walnüsse angebaut werden sollen. Auf der eigens gegründeten DuoDuo Universität lernen (zufünftige) Landwirte, wie man ein Unternehmen führt und den Ertrag ihrer Ernte verbessert. Ich kann mir vorstellen, dass Pinduoduo eines Tages die Software liefert, die einen Großteil von Chinas landwirtschaftlicher und verarbeitender Produktion antreibt.
Ich finde die Initiative genial! Landwirtschaftliche Produkte sind immer noch Bestseller auf der PDD Plattform, machen 14% der Umsätze aus und wuchsen 2019 um 114$. Über 12 Mio. Lieferanten verkaufen über die Plattform. Durch die Software und bessere Abläufe auf Farmen können Produkte auf PDD günstiger angeboten werden, was die Plattform damit für Kunden noch attraktiver macht. Zudem werden Lieferanten noch mehr an PDD gebunden, und damit von Konkurrenzplattformen ferngehalten.
Es gibt noch weitere Initiativen wie die kollaborative Enterprise Software Plattform Knock, eine Online-Apotheke und eine eigene Logistik-Plattform.
Bewertung: ✅
Der Erfolg der Initiativen bleibt abzuwarten, die Expansion in neue Geschäftsfelder finde ich aber sehr sinnvoll. Lieferanten werden gebunden, Margen werden erhöht und weitere Märkte angegangen.
Fazit - Wolken am Horizont
So wie Amazon Bücher als Sprungbrett nutzte, nutzte PDD Obst & Gemüse um eines der weltweit größten E-Commerce-Unternehmen in fünf Jahren aufzubauen. Es unterhielt die Verbraucher durch Spiele und bot ihnen gleichzeitig niedrige Preise für Produkte, die sie täglich kaufen. Landwirten und perspektivisch auch Produzenten bot PDD eine busines-in-a-box Lösung, um ihre Unternehmen effizienter zu betreiben.
Vor allem aber wirkten die letzten 5 Jahre wie ein pausenloser Aufstieg ohne Rückschläge. Ich glaube die nächsten Jahre laufen nicht so reibungslos!
Das Unternehmen steht vor strategischen Herausforderungen des Discount-Geschäftsmodells, wird nur schwer internationalisieren können und sieht sich einem harten Wettbewerb ausgesetzt. Zusätzlich zieht sich der Gründer aus der 1. Reihe zurück. Covid-19 hilft PDD neue Partner zu gewinnen und das Geschäftsmodell wird diversifiziert, aber ob das reicht bleibt abzuwarten.
Für mich fühlt sich das wie Groupon 2012 an. Das Unternehmen wurde gehypt, wuchs unglaublich schnell und wurde oft kopiert. Groupon wollte das Betriebssystem für den lokalen Handel sein. Geschafft hat es dies nicht! Nach 2012 wuchs das Unternehmen langsamer, 2014 wurde der Umsatzpeak erreicht. Seitdem geht es bergab.
Ob PDD der Entwicklung von Groupon folgt oder zum langfristigen Rivalen von Alibaba & JD.com wird, ich weiß es nicht. 50:50 Chance. Ich glaube nur nicht an einen weiteren raketenhaften Aufstieg. Privates Geld würde ich in die Aktie nicht investieren.
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Danke für den Support, einen tollen Tag - und natürlich: bleibt gesund!