Das Naketano-Aus – viel Lärm um nichts?
Wichtige Mitteilung der GL: Die HW18 Kollektion wird unsere Letzte sein. Wir liefern nur noch bis zum 31.12.2018. Der Webshop wird zum Ende des gleichen Tages offline gehen. Firma und Marke werden nicht verkauft – Anfragen dieser Art bleiben unbeantwortet. Es ist Zeit für eine Veränderung.
Mit dieser knappen Nachricht (hinter Paywall) verkündete die Modemarke Naketano das Aus zu Ende 2018. Ich hielt die Nachricht für einen Aprilscherz. Warum stellt DAS deutsche Erfolgslabel aus Essen plötzlich seinen Betrieb ein? Mindestens aus folgenden Gründen macht ein Aus keinen Sinn:
Das Unternehmen erwirtschaftete 2015 einen Gewinn von 10,2 Mio. EUR nach Steuern. Tendenz seit Jahren steigend.
Das Kundeninteresse steigt weiterhin massiv, wenn wir die Suchanfragen von Google Trends als Proxy nehmen
Das Händlerinteresse ist weiterhin hoch, wenn ich mir Zitate von Händlern anschaue. „Gegenüber der Textilwirtschaft bekundet ein norddeutscher Modehändler gar eine 50 prozentige Umsatzsteigerung ausschließlich durch Naketano.“, schreibt t3n. „Der Modehandel meldet aber dankbar steigende Umsätze mit der Jugendmarke.“, schreibt die Süddeutsche.
Die Einstellung der Marke von Naketano ist als wenn RB Leipzig nach dem Aufstieg in die 1. Liga sage: „Nun ist genug, wir hören auf. Wir wollten nur zeigen, dass es geht. Bye!“
Gerüchte über die Gründe für das Aus gibt es viele, offizielle Aussagen der Firma gibt es keine. Die beiden Gründer Sascha Peljhan und Jozo Lonac gelten als äußerst zurückhaltend und unkonventionell („Wir sind keine Fashion-Fuzzies.“), auch seitens Mitarbeitern ist bisher wenig an die Presse gedrungen. Das feuert das Medieninteresse an der Firma nur mehr an. Neben der Fach- und Onlinepresse haben fast alle überregionalen Zeitungen das Thema aufgenommen, von Bild bis Spiegel. Naketano versteht es im Gespräch zu bleiben.
Gehen wir davon aus, dass die Gründer ein hochprofitables Unternehmen nicht einfach ohne Weiteres schließen, sie sind immerhin Geschäftsleute. Was sind die Optionen?
Option 1: Verkauf an About You & Co.
Jochen Fuchs spekuliert, dass Naketano an einen Geschäftspartner geht und zukünftig ein exklusives Verkaufsmodell anstrebt.
Wahrscheinlich ist, dass Naketano eine exklusiveres Vertriebsmodell anstreben wird als bisher. Alle Anzeichen sprechen dafür, dass die Gründer sich gerne des Modezirkusses entledigen würden. […] Aktuell spricht vieles dafür, dass ein einzelner großer Partner das Rennen machen wird. Somit ist der aussichtsreichste Kandidat für eine exklusive Zusammenarbeit der vermutlich größte Kunde von Naketano: About You.
Interessantes Gedankenexperiment: der Geschäftspartner AboutYou führt die Marke in Sinne der Gründer weiter, die wiederum aus dem Business aussteigen. Für AboutYou wäre eine exklusive Modemarke Naketano definitiv ein Zugewinn, ein Neukundengewinnungs-Monster quasi. Aber günstig und machbar? Wohl kaum.
Naketano hatte 2015 ein EBIT von 10 Mio. EUR bei 40 Mio. EUR Umsatz. Nehmen wir einfacher halber an (a) das Umsatzwachstum steigt parallel zu den Google Suchanfragen und (b) die Umsatzrentabilität verschlechtert sich nur leicht auf 20%, dann kommen wir für das GJ 2017 auf einen EBIT von 13 Mio. Bei üblichen EBIT-Multiples von mind. 6-8 ergibt das eine Unternehmensbewertung von 80-100 Mio. EUR.
AboutYou, mit einer Bewertung von 320 Mio. EUR in der letzten Finanzierungsrunde, wird das kaum stemmen können. Und bei einem Anteilstausch ca. 25% der Anteil an AboutYou für eine Handelsmarke abzugeben, ist auch keine Option. V.a. wenn die Gründer, das Hirn hinter der Marke Naketano, von Bord gehen.
Aber wem ist ein solcher Schritt zuzutrauen? Zalando könnte eine solche Übernahme stemmen, wenn auch nicht aus dem Free Cash Flow. Diverse Artikel weisen jedoch darauf hin, dass das Verhältnis zwischen Naketano und Zalando kühl ist. Amazon könnte eine Übernahme ohne Weiteres stemmen (Stichwort: Angriff im Modemarkt), allerdings hat Amazon in der Vergangenheit nie Modemarken übernommen. Und wird es imho auch in Zukunft nicht tun.
Zusammengenommen: ich glaube nicht, dass ein Händler Naketano übernimmt.
Option 2: Verkauf an einen Investor
Naketano wird an einen Finanzinvestor verkauft, wahrscheinlich jemanden, der bereits Modemarken im Portfolio hat. Die Gründer gehen raus oder behalten einen kleinen Anteil am Unternehmen.
Firma und Marke werden nicht verkauft – Anfragen dieser Art bleiben unbeantwortet. Es ist Zeit für eine Veränderung.
Diese Satz vermeidet unnötige Anfragen, da bereits ein (Private Equity)-Investor gefunden ist. Durch die Ankündigung können Umsatz und Gewinn gesteigert werden, um den Kaufpreis in die Höhe zu treiben. Dagegen spricht: ein Investor möchte das Unternehmen wertvoller machen und es nach einigen Jahren weiterverkaufen. Den wichtigen Großhandel und Absatzkanäle zu verprellen, macht wenig Sinn. Daher glaube ich nicht an Option 2.
Option 3: Weiterbetrieb – THE WINNER
Die einfachste Option: viel Lärm um nichts, Naketano wird weitergeführt. Die Ankündigung entpuppt sich als größter SEO-Stunt des deutschen Marktes: endlich einmal Backlinks von allen großen Zeitungen Deutschlands bekommen
Spaß beiseite: mag sein, dass sich die Gründer aus dem operativen Geschäft zurückziehen und die zweite Ebene das Ruder übernimmt. Nichts ungewöhnliches, nur geht ein solcher Schritt meist mit einem Exit der Gründer einher.
Daher leicht modifiziert Option 3a: Die Gründer haben Bock etwas Neues aufzubauen. Die Marke Naketano wird auf ihrem Zenit eingestellt, die Gründer und das Team gehen mit einer neuen Marke an den Markt. Sie können sich dabei eines Vertrauensvorschusses bei bestehenden Handelspartner sicher sein. Bereits Jahr 1 könnte auf einem guten Umsatzniveau beendet werden.
Dieser Schritt ist ungewöhnlich, und ein vergleichbarer Schritt ist mir nicht bekannt. Aber Sascha Peljhan und Jozo Lonac scheinen ungewöhnliche Unternehmer zu sein. Ich setze meine Chips auf Option 3.