Der Tod der 3rd Party Cookies - diesmal wirklich
Hallo zusammen,
heute direkt zum Inhalt:
Der Tod der 3rd Party Cookies - diesmal wirklich
Frau Ceylan möchte sich neue Laufschuhe kaufen und geht in ein Sportgeschäft. Eine Horde Privatdetektive belauscht das Gespräch mit dem Verkäufer und registriert jedes Paar, das sie anprobiert. Außerdem wissen ihre Begleiter, dass Ceylan mit ihrer Partnerin ein Kind adoptieren will. Sie verfolgen sie nämlich nicht nur beim Einkaufen, sondern rund um die Uhr. Was die Detektive sehen und hören, geben sie an ein riesiges Netzwerk aus Marketingexpertinnen und Werbeverkäufern weiter. Deshalb sieht Ceylan bei jeder Gelegenheit Anzeigen für Turnschuhe und Windeln: im Fernsehen, in der Zeitung, in der U-Bahn. Sogar kurz vor dem Einschlafen flüstert ihr jemand ins Ohr: Wie wäre es mit Pampers?
In dieser Geschichte erklärt die Süddeutsche Zeitung sehr bildliche die Funktionsweise Cookies für Werbung. Die Detektive sind 3rd Party Cookies, das Netzwerk aus Marketing-Expertinnen und Werbeverkäufern sind die Ad-Anbieter wie Google, Facebook & Criteo.
Doch die Detektive sollen nicht mehr lange lauschen.
Eine Koalition aus Browseranbietern, Apple & Google wollen 3rd Party Cookies den Garaus machen. Diesmal wirklich!
Das wäre die größte Umwälzung für das Werbesystem seit Jahren! Werbung wie wir sie heute kennen basiert zum Großteil auf 3rd Party Cookies. Ohne dieser wird personalisierte Werbung schwieriger, Retargeting quasi unmöglich. Das führt zu mehr Streuverlusten und höheren Kosten für Werbetreibende.
Schätzungen über den den Schaden durch die Blockierung von 3rd Party Cookies gehen auseinander - in Deutschland werden sie auf 15 Prozent geschätzt, amerikanische Forscher schätzen den Verlust auf nur 4%.
Die Koalition der Totengräber - und jeder hat ein anderes Interesse
3rd Party Cookies sind aktuell von drei Seiten unter Beschuss: von Mozilla, Apple und nun Google. Die ersten beiden Unternehmen stehen für Datenschutz, bei Google - ein Werbeunternehmen - scheint dieser Schritt erst einmal kontraintuitiv.
Mozilla - der Datenfreundliche Anbieter
Mozilla möchte seinen Browser als datenschutzfreundliche Alternative zu Chrome & Co. platzieren. Schon Anfang 2019 hat Mozilla - wie auch Safari - ITP 2.0 unterstützt, damit 3rd Party Cookie blockiert und die Langlebigkeit von 1st Party Cookie auf 24h beschränkt.
Nun folgt der nächste Schritt: Webseiten können nur noch auf ihre selbst gesetzten Cookies zugreifen. Mozilla nennt das Ganze Total Cookie Protection.
Damit ist es für unabhängige Netzwerke kaum noch möglich Zielgruppen außerhalb der eigenen Daten zuzugreifen.
Apple - der Hardware-Hersteller
Apple platziert sich schon länger als datensparsame Alternative. Kein Wunder: als einziges der großen GAFA-Unternehmen basieren Apples Umsätze nicht auf einem Werbegeschäft.
Im iPhone müssen Nutzer ab iOS 14 der Datenweitergabe an Werbetreibende explizit zustimmen. Die Opt-In Quoten sind - wenig überraschend - mit ~40% gering. Diese Maßnahme trifft v.a. Facebook.
Apple und Facebook hatten sich schon angebeeft. So wirft Apple CEO Tim Cook Facebook indirekt vor für die Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungstheorien verantwortlich zu sein.
We can no longer turn a blind eye to a theory of technology that says all engagement is good engagement – the longer the better – and all with the goal of collecting as much data as possible,
Facebook sieht das natürlich anders, wirft Apple vor seine dominante Position auszunutzen. Ganz von der Hand zu weisen ist das nicht. Apple sammelt immer konsequenter seinen Share über iPhone-Apps erzielte Umsätze (inApp-Käufe) ein und hat damit wenig Interesse an einem florierenden Werbesystem in Apps.
Google - gute Daten über Chrome
Google ist der letzte Anbieter, der nun 3rd Party Cookies den Rücken zukehrt. Das ist insofern überraschend, dass Google noch im letzten Jahr ankündigte -als einer der letzten Browser-Anbieter - erst 2022 Cookies anzugehen.
Das änderte sich im Januar 2021. Im Blogpost schreibt Google:
Federated Learning of Cohorts (FLoC) proposes a new way for businesses to reach people with relevant content and ads by clustering large groups of people with similar interests. This approach effectively hides individuals “in the crowd” and uses on-device processing to keep a person’s web history private on the browser.
By creating simulations based on the principles defined in Chrome’s FLoC proposal, Google’s ads teams have tested this privacy-first alternative to third-party cookies. Results indicate that when it comes to generating interest-based audiences, FLoC can provide an effective replacement signal for third-party cookies. Our tests of FLoC to reach in-market and affinity Google Audiences show that advertisers can expect to see at least 95% of the conversions per dollar spent when compared to cookie-based advertising.
Grundlage sollen Nutzungsdaten aus dem Chrome sein. Der Browser gehört zu Google und hat in Europa einen Marktanteil von ~50%.
Künftig sollen nur noch die Seitenbetreiber erfahren, wer ihr Angebot aufruft. Die Daten landen nicht bei Werbenetzwerken, sondern werden lokal im Browser gespeichert. Chrome fasst Menschen mit ähnlichen Interessen dann in Gruppen zusammen, auf deren Grundlage Werbung ausgespielt werden kann. Diese Kohorten sollen groß genug sein, um Anonymität zu gewährleisten.
Philipp Klöckner beschrieb das Vorgehen bildlich als:
Das ist so, als ob Google die Elektrizität entdeckt hat und nun allen anderen die Nutzung von Feuer verbieten möchte.
Google ist - im Gegensatz zu 3rd Party Cookies - das einzige Unternehmen, was Zugang zu den Browserdaten hat, hat damit einen starken Wettbewerbsvorteil - und ein Interesse 3rd Party Cookies zu verbieten.
Ablehnende Reaktionen
Vor allem die Maßnahme von Google traf bei Wettbewerbern und Behörden auf Ablehnung. Oracle lässt kein gutes Wort an FLoC:
You see, the core problem is Google very much wants to dominate digital advertising—which generates 90 percent of its revenues – but it also desperately wants to be included with the social norm that increasingly values and protects privacy. Stated differently, Google is running a brothel but wants to join the choir.
Auch in der EU gibt es mit der neuen Technologie Probleme. So hat Google erklärt die neue Technologie vorerst nicht in der EU zu testen.
Trotz der ablehnenden Reaktionen: der 3rd Party Cookie hat keine Zukunft.
Regulierung möchte mehr Datenschutz, Apple möchte mehr Datenschutz und Google möchte keine Cookies mehr. Dieser Koalition ist wenig entgegenzusetzen.
Ich vermute, die aktuellen Entwicklungen führen zu drei Bewegungen:
1st Party Daten werden noch wichtiger
Wenn 3rd Party Daten nicht mehr geteilt werden können, steigt automatisch der Wert eigener Daten. Profitieren tun davon Unternehmen, die (a) viel Traffic haben und (b) die daraus entstehenden Daten für eigene Werbelösungen nutzen kann. Das ist v.a. Facebook.
Nach den Ankündigungen von Apple, sank zunächst der Aktienkurs von Facebook. In Clubhouse sagte Mark Zuckerberg laut CNBC:
Facebook CEO Mark Zuckerberg on Thursday said he is confident the social media company “will be able to manage through” Apple’s upcoming planned privacy update to iOS 14, which will make it easier for iPhone and iPad users to block companies from tracking their activity to target ads.
“We’ll be in a good position,” Zuckerberg said Thursday afternoon in Josh Constine’s PressClub Clubhouse room.
Werbebudgets verschieben sich zu den großen Netzwerken
Komparativ mit anderen Anbietern werden Facebook und Google die effizienteste Werbung schalten können. Das heißt, dass noch mehr Werbebudgets in diese Netzwerke fließen werden. Schon heute vereint GAFA (-Apple) 80% der Werbebudgets.
Spieltheoretisch werden (a) der Zufluss von Budget, bei (b) einem allgemein steigenden Marketing-Budgets dazu führen, dass der Wettbewerb und die CPCs bei diesen Netzwerken steigen werden.
Anbieter kontextsensitiver Werbung profitieren mittelfristig
Wenn Werbung bei Google oder Facebook irgendwann nicht mehr profitabel für alle Teilnehmer betrieben werden kann, richtet sich der Blick auf Alternativen. Da sehe ich v.a. Anbieter, die Werbung kontextsenstiv ausspielen können und nicht auf persönliche Daten angewiesen sind.
Das könnte in Deutschland z.B. ein myDealz sein. Oder auch Anbieter wie shopping24 (mein Arbeitgeber), der Zugang zu Retail-Publishern bietet, einem verglichen mit GAFA noch untermonetarisierten Werbeumfeld.
Fazit
3rd Party Cookies werden sterben, Gewinner sind GAFA, Verlierer sind unabhängige Werbeanbieter. Leider trifft es wieder einmal v.a. europäische Werbeanbieter. Sehr schade!
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Danke für den Support, einen tollen Tag - und natürlich: bleibt gesund!